Gender oder Die sogenannte geschlechtergerechte Sprache
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Ich weiß, zu diesem Thema ist schon alles gesagt. Aber noch nicht von allen. Auch noch nicht von mir. Wen das interessiert? Mich interessiert es. Und das muß ich jetzt doch noch loswerden.
In meiner Jugendzeit – das ist schon länger her! – gab es bei Gruppenveranstaltungen einen Brauch vor dem gemeinsamen Essen. Da fassten sich alle an den Händen und riefen: „Ein jeder esse, was er kann, nur nicht seinen Nebenmann; und wir nehmens ganz genau: Auch nicht seine Nebenfrau.“
Eine schöne Erinnerung an die frühen Jahre. Die sind vergangen und damit auch jener Ess-Spruch.
Was aber geblieben ist, ist die Erinnerung daran, dass wir schon in jungen Jahren, wie man heute sagen würde, die „geschlechtergerechte Sprache“ praktiziert und gepflegt haben.
So flüssig mir diese Worte seinerzeit über die Lippen gegangen sind, so stockend bin ich heute im Umgang mit dem, wie ich es nennen möchte, Gender-Sprech.
Und so blicke ich mit Sorge, manchmal auch mit Ärger, auf die oft krampfhaften Bemühungen, ja auch beide Geschlechter in Wort und Schrift vorkommen zu lassen.
Dafür müssen dann Gendersternchen, Pausen-Is, Unterstrich und das Partizip-Präsens herhalten.
Also, liebe(r) Leser*in, liebe(r) MitarbeiterIn, liebe(r) Kämpfer_innen für eine gerechte Sprachordnung oder auch: liebe Mitstreitende, nun entspannt euch mal.
Gleichberechtigung von Mann und Frau? Ja. Und eine angemessene Sprache? Auch ja.
Wenn zum Beispiel der Chef die Mitarbeiterin lobt und sagt: „Sie sind unser bester Mann“ – das lässt sich anders, besser sagen.
Aber muss man wirklich jedes Mal Paarformen bilden, wenn zu begrüßen sind die Schüler und Schülerinnen, die Lehrerinnen und Lehrer? Gut, das scheint mir immer noch besser zu sein als jene willkommen zu heißen als „zu Unterrichtende“ oder „Lehrende“ oder die „Lehrerschaft“.
In kirchlichen Kreisen hierzulande werden Pfarrer und Pfarrerinnen – genderkonform – seit kurzem als „Pfarrpersonen“ tituliert. Und in Stellenausschreibungen liest man jetzt m/w/d.
Hat nicht „früher“ das generische Maskulinum gereicht. Da ging man halt zum Arzt, auch wenn die eine Frau war.
Sicher, auch das Partizip Präsens kann man sich aneignen. Ich war bereits vor über 50 Jahren von heute auf morgen kein „Lehrling“ mehr, sondern ein „Auszubildender“, woraus recht bald der Azubi wurde oder halt d i e Azubi.
Die vermeintlich geschlechtergerechte Sprache hat freilich auch ihre Tücken. Nicht jeder Student ist auch ein Studierender. Es sei denn, er arbeitet ohne Unterlaß. Aus meiner eigenen Studentenzeit weiß ich, dass das eher unwahrscheinlich ist.
Und dann ist da ja auch noch „das dritte Geschlecht“, angesiedelt zwischen Mann und Frau. Worte wie „Teilnehmer*innen“ oder „Student*innen“ sollen auch diese Personen in gerechter Sprache ansprechen.
Und wie? „Liebe Diverse?“ und „Lieber Diverser?“ oder gar „Liebes Diverses“?
In der schriftlichen Anrede an ein Team lese ich: „Liebe Alle“. Das nenne ich mal inklusive Rede!
Und das „Sternchen“? *
Wie spricht man das?
Ach so, ja, mit dem Pausen-I.
Schüler * P a u s e * innen.
Herrgottzeiten, was für ein Krampf.
Uups. Das war jetzt wohl auch wieder falsch. Aus dem Hintergrund höre ich StreiterInnen für die gerechte Sprache empört rufen: Von wegen Herrgottzeiten … . Vorschläge, auch hier „gerechter“ zu sprechen, werden noch angenommen … .
Reichte uns „früher“ nicht einfach „Sprachgefühl“?
Aber so denken und reden wahrscheinlich nur „alte, weiße Männer“ … ;
oder sind es doch die weisen Männer (und Frauen), die so reden?
Aber bevor ich noch gänzlich verwaist dasitze, weil keine ( r / s) mehr meine Beiträge lesen will, schließe ich diesen Gedankengang vorerst ab.
Stattdessen sammle ich noch ein wenig, was andere Freundinnen und Freunde der deutschen Sprache Kluges von sich gegeben haben.
Es lebe hoch, das Partizip (2)
Radler aufgepasst!
Netzfund
Präsens: Radfahrende
Präteritum: Radgefahrene
Perfekt: Radgefahrenhabende
Plusquamperfekt: Radgefahrenhattende
Futur I: Radfahrenwerdende
Futur II: Radgefahrenhabenwerdende
